12. Juli 2024
Würfelnatter-Schutzprojekt
Von den BesucherInnen unbemerkt ist eine neue Schlangenart im Zoo Neuwied eingezogen. In einer Reihe Freiland-Paludarien hinter dem Avimundo, der Vogelstation des Zoos, sind vor ein paar Wochen zwölf einheimische Würfelnattern eingezogen. „Die Paludarien sind sozusagen eine Mischung aus Terrarium und Aquarium, haben also einen Land- und einen Wasserteil“, erklärt David Otte, der im Zoo Neuwied als Obertierpfleger arbeitet. „Würfelnattern sind nämlich noch stärker ans Wasser gebunden als die viel häufigeren und daher bekannteren Ringelnattern. Ihre Nahrung besteht fast vollständig aus kleinen Fischen.“
Die Würfelnatter hat ein großes Verbreitungsgebiet in Europa und Asien, ihre letzten natürlichen Vorkommen in Deutschland sind jedoch auf drei kleine, isolierte Populationen in Rheinland-Pfalz beschränkt – damit gehört sie zu den seltensten einheimischen Wirbeltieren überhaupt. „Die Würfelnatter hat sehr spezielle Lebensraumansprüche und reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen ihrer Umwelt, passt sich nur langsam an“, weiß Otte. „Das größte der drei deutschen Vorkommen liegt an der Lahn, mit Schwerpunkt auf dem Naturschutzgebiet ‚Schleuse Hollerich‘. Dort findet sie ideale Bedingungen vor. Allerdings ist die Lahn eine Bundeswasserstraße, und die Wehranlage in Hollerich muss aufgrund baulicher Defizite dringend neu gebaut werden. Dies könnte zur Beeinträchtigung der dortigen Würfelnatterpopulation führen.“
Um negative Auswirkungen zu verhindern hat das für die Baumaßnahme verantwortliche Wasserstraßen-Neubauamt Heidelberg in Abstimmung mit der oberen Naturschutzbehörde und der Bundesanstalt für Gewässerkunde artenschutzrechtliche Maßnahmen geplant: Bereits seit 2021 wurden sukzessive Ersatzlebensräume mit geeigneten Jagdgründen, Eiablageplätzen und Überwinterungsquartieren für die scheuen Schlangen in Friedrichssegen und Nievern geschaffen. Reptilienfachmann Otte weiß jedoch: „Die Umsiedelung ausgewachsener Reptilien ist kaum erfolgversprechend. Die Tiere wandern wieder ab oder kommen nicht mit den neuen Bedingungen zurecht und sterben.“ Zusammen mit der Würfelnatterexpertin Frau Dr. Lenz wurde daher der Plan entwickelt, trächtige Weibchen aus dem Naturschutzgebiet ‚Schleuse Hollerich‘ abzufangen und vorübergehend in eigens zu diesem Zweck angelegten Freiland-Paludarien im Zoo Neuwied zu halten. Dort sollen die Weibchen in den nächsten Wochen ihre Eier ablegen. Anschließend werden Sie wieder an ihrem Fundort freigelassen.
Die Eier verbleiben bis zum Schlupf der Jungtiere im Zoo Neuwied. „Erfahrungen haben gezeigt, dass die Umsiedelung juveniler Schlangen mit etwa einem Jahr am erfolgversprechendsten ist. Daher werden wir die Jungtiere hier pflegen und überwintern, bis sie im Frühjahr in die angelegten Ersatzlebensräume an der Lahn entlassen werden, wo sie hoffentlich eine stabile neue Population begründen“, hofft der Obertierpfleger.